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Ralph Henger / Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 46 23. Juni 2017 Bauboom führt zu Engpässen bei Gewerbeflächen

Der Immobilienmarkt befindet sich in einer lang anhaltenden Boomphase. Erneut erzielt der Immobilienindex mit einem Lagewert von 86 ein herausragendes Ergebnis. In den Topstandorten hat die hohe Nachfrage jedoch mittlerweile zu spürbaren Engpässen an verfügbaren Flächen geführt.

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Bauboom führt zu Engpässen bei Gewerbeflächen
Ralph Henger / Michael Voigtländer IW-Kurzbericht Nr. 46 23. Juni 2017

Bauboom führt zu Engpässen bei Gewerbeflächen

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Immobilienmarkt befindet sich in einer lang anhaltenden Boomphase. Erneut erzielt der Immobilienindex mit einem Lagewert von 86 ein herausragendes Ergebnis. In den Topstandorten hat die hohe Nachfrage jedoch mittlerweile zu spürbaren Engpässen an verfügbaren Flächen geführt.

Der Boom wird getragen durch eine anhaltend hohe Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen. Hiervon profitieren insbesondere die Projektentwickler und die Baubranche, aber nachgelagert alle Immobilienunternehmen. Allerdings führt die Flächenknappheit zu steigenden Preisen und sinkenden Renditen. Die Investoren können dies aber aktuell noch gut kompensieren.

In der aktuellen Befragung des IW-Immobilien Scout24-Index haben 100 Unternehmen der Immobilienbranche über ihre konjunkturelle Lage Auskunft gegeben. Das Ergebnis ist erneut eindeutig und höchst erfreulich. Bei der wichtigsten Frage des Indexes können die Immobilienunternehmen angeben ob ihre Geschäftslage gut, normal oder schlecht ist. 86,5 Prozent gaben bei der zweiten Quartalsbefragung in diesem Jahr an, dass ihre Lage gut ist. 12,9 Prozent schätzten ihre Lage hingegen als normal ein. Nur 0,5 Prozent gaben eine schlechte Geschäftslage an. Nach der Saldenmethode werden die negativen Antwortanteile von den positiven abgezogen. Hieraus resultiert der Lagewert von 86,0, der geringfügig höher als drei Monate zuvor ist (85,3). Bemerkenswert ist, dass 19,7 Prozent davon ausgehen, dass sich ihre Geschäftslage (weiter) verbessern wird. Die Mehrheit von 74,7 Prozent geht von keiner Veränderung aus und nur 5,6 Prozent erwarten eine ungünstigere Geschäftslage. Hieraus resultiert ein Erwartungswert von 14,0, der 5,9 Prozentpunkte unter dem Vorquartalsergebnis liegt.

Aus Lage- und Erwartungswert wird das Immobilienklima berechnet, welches mit 47,4 nur 3,0 Prozentpunkte unter dem Vorquartal liegt. Da das Immobilienklima seit nunmehr zwei Jahren um die Werte von 50 zirkuliert, ist hieraus kein negativer Trend zu erkennen. Vielmehr hat sich der konjunkturelle Boom auf hohem Niveau verstetigt. Wichtig ist hierbei zu erkennen, dass der aktuelle Aufschwung sich substanziell von den Vorherigen unterscheidet, da er von fundamentalen konjunkturellen und demografischen Faktoren getragen wird. In den 1990iger Jahren wurde das Wachstum beispielsweise weniger konjunkturell, sondern vielmehr durch steuerliche Anreize und Subventionen des Staates angefeuert (Henger/Voigtländer, 2015). Durch die gesetzten Fehlanreize wurde insbesondere bei Wohnimmobilien in den schrumpfenden Regionen der neuen Bundesländer viel Geld vernichtet. Der Dotcom-Boom um die Jahrtausendwende betraf wiederum vor allem die Bürostandorte. Damals entstanden viele neue Büroflächen, die nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2002 keine Nachfrage mehr fanden. Die größten Büroimmobilienstandorte Frankfurt am Main und Düsseldorf leiden bis heute unter einer hohen Leerstandsquote von über 10 Prozent. Die Quote ging dort in den letzten Jahren merklich zurück, sodass mittlerweile auch dort erhebliche Knappheiten an attraktiven Büroflächen besteht.

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Aufschwung in allen Segmenten

Der heutige Immobilienboom betrifft hingegen sowohl den Wohnungs- als auch den Büro- und Einzelhandelsmarkt, da sie zeitgleich von günstigen Rahmenbedingungen positiv beeinflusst werden. Wie die Abbildung zeigt, ist das Immobilienklima in allen Segmenten sehr gut. Die Geschäftslage erreicht stets Werte zwischen 80 und 90 (von maximal 100). Die Erwartungen haben sich nur ein wenig eingetrübt, am deutlichsten beim Einzelhandel. Hier haben einige Unternehmen Probleme ihre Position auf dem Markt zu halten und Antworten auf den zunehmenden Online-Handel zu finden. Deutschlands Konjunktur läuft jedoch insgesamt auf Hochtouren, auch weil die niedrigen Zinsen, die geringen Energiepreise und der insbesondere zum US-Dollar unterbewertete Euro die Wettbewerbsstärke deutscher Unternehmen unterstützen. Der Beschäftigungsaufbau verläuft stetig und erreicht neue Rekordniveaus, insbesondere in den Ballungszentren. Dies ist neben der Bildungsmigration der Hauptgrund für die rasant wachsende Binnenwanderung in die Großstädte. Hinzu kommt die hohe Zuwanderung aus dem europäischen Ausland und Syrien. Mit der günstigen Konjunktur und den starken demografischen Veränderungen fallen zwei einflussreiche Trends zeitlich aufeinander. Gleichzeitig bleiben die finanziellen Rahmenbedingungen solide. Einerseits ist die Finanzierung von Immobilien aufgrund der niedrigen Zinsen sehr günstig. Andererseits bleibt die Kreditvergabe durch die Banken konservativ, auch durch die im letzten Jahr umgesetzte Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Bendel/(Voigtländer, 2017).

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Die hohe Nachfrage nach Wohn- und Wirtschaftsimmobilien konzentriert sich außerordentlich stark auf die Großstädte und dort auf zentrumsnahe Lagen. Baubedarf und Bautätigkeit fallen dort nachhaltig auseinander, was die Preise und auch die Mieten nach oben treibt (Deschermeier et al. 2017). Die aktuelle Sonderfrage adressiert dieses Thema und fragte nach der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen (Büro und Einzelhandel) in den sogenannten A- und B-Standorten. A-Standorte sind die sieben bevölkerungsreichsten Großstädte und B-Standorte die 14 nächstgrößeren Großstädte. Das Ergebnis zeigt, dass in den A-Städten eine enorme Flächenknappheit besteht. So schätzen 53,3 Prozent die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen als schlecht ein (Zum Vergleich: gut: 11,3%, befriedigend: 35,5%). Zudem erwarten 35,9 Prozent, dass die Verfügbarkeit in den nächsten 12 Monaten eher schlechter wird (zum Vergleich: eher besser: 6,2%, etwa gleich bleiben: 57,9%). In den B-Standorten ist die Situation deutlich entspannter und nur 11,0 Prozent beurteilen die Verfügbarkeit als schlecht (zum Vergleich: gut: 29,0%, befriedigend: 60,0%). Auch die Erwartungen sind nicht so pessimistisch wie in den A-Standorten und die große Mehrheit von 77,2 Prozent erwartet, das die Verfügbarkeit in etwa gleich bleiben wird (zum Vergleich: eher besser: 7,4%, eher schlechter: 15,4%).

Damit verhärten sich die Indizien zu einem sichereren Befund: In den A-Standorten sind Bauland und Grundstücke für Gewerbeflächen derart knapp, dass ein intensiver Wettbewerb begonnen hat. Das führt in den A-Standorten zu enormen Preissteigerungen. Da die Mieten nicht in diesem Umfang mitziehen, drückt dies die Renditen der Investoren. Die Geschäftslage wird hierdurch jedoch noch nicht eingetrübt, da dies nur wenige Großstädte betrifft und sie auf alternativen Lagen und Standorte ausweichen können.

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Investoren setzen auf Expansion

Die Detailfragen des Immobilienindexes zeigen ebenfalls alle aufwärts. Die Unternehmen gehen weiterhin mehrheitlich von steigenden Preisen (70,3%) und steigenden Mieten (61,6%) aus. Auf Expansionskurs setzt daher weiterhin die Mehrheit der Immobilienunternehmen. 61,8 Prozent wollen ihre Bestände zukünftig weiter ausweiten. Dies können sie aufgrund der aufgebrauchten Reserven an Gewerbeflächen in den Großstädten in attraktiven Lagen kaum noch realisieren und müssen auf andere Lagen ausweichen, was zum Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung der Metropole führen kann (Seipelt, 2017). Die Projektentwickler erwarten erneut ein wenig mehr Vorverkäufe und Vorvermietung, was auf eine flächendeckend gute Auftragslage hindeutet. Von allen Unternehmen werden weithin gute Finanzierungsbedingungen erwartet. 70,9 Prozent erwarten gleichbleibende und 24,8 Prozent ungünstigere Bedingungen. Die Werte sind damit optimistischer als 3 Monate vorher, was auf die Nachbesserungen bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und der umsichtigen Einleitung der Zinswende der EZB zurückgeführt werden kann.

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