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Jürgen Matthes IW-Kurzbericht Nr. 26 26. März 2017 Wirtschaftsentwicklung in Südeuropa

Die Wirtschaftslage in Südeuropa ist derzeit von deutlichen Unterschieden geprägt. Vor allem die Erfolge in Spanien und Portugal zeigen, dass Strukturreformen sich lohnen und ein Aufräumen im Bankensektor unerlässlich ist, das in Italien noch aussteht.

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Wirtschaftsentwicklung in Südeuropa
Jürgen Matthes IW-Kurzbericht Nr. 26 26. März 2017

Wirtschaftsentwicklung in Südeuropa

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Wirtschaftslage in Südeuropa ist derzeit von deutlichen Unterschieden geprägt. Vor allem die Erfolge in Spanien und Portugal zeigen, dass Strukturreformen sich lohnen und ein Aufräumen im Bankensektor unerlässlich ist, das in Italien noch aussteht.

 

MIt Blick auf die Wirtschaftslage in Südeuropa zeigen sich Licht und Schatten:

  • So war die ökonomische Dynamik in Spanien zuletzt hervorragend und in Portugal zumindest recht ordentlich, obwohl es in Madrid lange Zeit keine handlungsfähige Regierung gab und in Lissabon eine linksorientierte Koalition mit stalinistischen Kommunisten an der Macht ist.
  • Dagegen hinkt Italien beim Wirtschaftswachstum trotz einer grundlegenden Arbeitsmarktreform weiter hinterher, weil die Reformwirkungen sich aufgrund einer verschleppten Bankbilanzbereinigung und zuletzt hoher politischer Unsicherheit nicht ausreichend entfalten können. Das hochverschuldete Griechenland beginnt gerade erst, sich trotz ansehnlicher fiskalischer Konsolidierung von der Stagnation zu erholen, die durch die erneute Krise nach dem Regierungswechsel Anfang 2015 eingetreten war.

Dieser Beitrag fokussiert auf die Lichtblicke in Spanien und Portugal. Dabei werden die Wirtschaftsdaten dieser beiden Länder mit denen von Italien, Griechenland und Deutschland verglichen (Tabelle).

In Spanien ist die Wirtschaft In den vergangenen beiden Jahren mit jahresdurchschnittlich 3,2 Prozent sehr stark gewachsen, deutlich schneller als die deutsche Ökonomie mit 1,8 Prozent. Dabei profitiert Spanien von den in der Krise ergriffenen Reformen vor allem auf dem Arbeitsmarkt, aber auch auf den Produktmärkten. Darüber hinaus wurden die Verschuldungsprobleme im Privatsektor nach dem Platzen der Immobilienblase mithilfe eines auf den Finanzsektor beschränkten Programms des Euro-Rettungsschirms ESM entschieden bekämpft. Diese Reformen haben das Vertrauen der Wirtschaftsakteure gestärkt und die Basis für das dynamische Wachstum geliefert. Der neue Schwung nach der tiefen Krise war so stark, dass er selbst von der lang anhaltenden Regierungskrise und den zweifachen Parlamentswahlen nicht merklich gebremst werden konnte. Aktuell deuten die Konjunkturindikatoren darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung auch in diesem und im folgenden Jahr zwar etwas langsamer, aber mit mehr als 2 Prozent noch sehr ansehnlich expandieren dürfte.

Das hohe Wachstum kommt bislang freilich nur teilweise bei den Spaniern an. Die Arbeitslosigkeit lag im Jahr 2016 im Jahresdurchschnitt mit knapp 20 Prozent noch sehr hoch. Allerdings hat ein starker Beschäftigungszuwachs (wenngleich vor allem bei befristeten Stellen) dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren von einem Höchststand bei über 26 Prozent deutlich und zügig sank. Die EU-Kommission schätzt, dass weitere Fortschritte im Jahr 2018 ein Niveau von 16 Prozent möglich machen. Das wäre für spanische Verhältnisse nicht außergewöhnlich hoch. Die Arbeitslosenquote lag vor Beginn der Europäischen Währungsunion bei über 17 Prozent im Durchschnitt der Jahre 1980 bis 1998.

Neben den privaten Investitionen haben sich die Exporte sehr positiv und merklich dynamischer entwickelt als in Deutschland (Tabelle). Das lag nicht zuletzt an einer deutlichen Korrektur der vor der Krise verschlechterten preislichen Wettbewerbsfähigkeit. In dem eindrucksvollen Erfolg spanischer Ausfuhren auf dem Weltmarkt liegt ein wesentlicher Grund für den schon seit 2013 positiven Leistungsbilanzsaldo, der 2016 nach Schätzung der EU-Kommission bei rund 1,7 Prozent des BIP lag. Positiv hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Privatverschuldung im Zuge des Aufräumens auf dem Finanzmarkt deutlich sank. Dies bereitete den Boden für eine wieder erstarkte Binnennachfrage, die aber derzeit nicht wie vor der Krise zu ausufernden Importen führt.

Der spanische Staatshaushalt ist dagegen noch deutlich im Ungleichgewicht, auch weil das Regierungsvakuum lange eine konsequente Konsolidierung verhindert hat. Das öffentliche Haushaltsdefizit lag im Jahr 2016 bei rund 4,7 Prozent des BIP. Schon im Jahr 2015 hatte Spanien aufgrund eines steigenden strukturellen Fiskaldefizits den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) gebrochen. Die EU hat dies zwar ohne Sanktionen durchgehen lassen, doch hat die neue Regierung gleichwohl einige Korrekturen vorgenommen. Erst kürzlich hat die EU den aktuellen Haushaltsplan als weitgehend im Einklang mit dem SWP bezeichnet, den sie freilich recht flexibel auslegt. Trotz des weiterhin hohen laufenden Staatsdefizits ist der öffentliche Schuldenstand wegen des guten Wachstums und der niedrigen Zinsen zuletzt nicht weiter gestiegen und pendelt seit einiger Zeit um die 100 Prozent des BIP. Für einen Abbau der Staatsschuldenquote ist demnach eine stärkere Konsolidierung nötig.

In Portugal war das Wachstum des realen BIP mit jahresdurchschnittlich gut 1,5 Prozent in den letzten beiden Jahren zwar weniger kräftig als in Spanien, doch lag es damit nicht weit unter dem Durchschnitt Deutschlands von knapp 1,8 Prozent (Tabelle). Zudem übertraf dieser BIP-Zuwachs das portugiesische Wachstum zwischen 2000 und 2007 von durchschnittlich 1,2 Prozent. Dieses moderate Tempo dürfte in diesem und im nächsten Jahr erhalten bleiben, wofür aktuell die recht guten Konjunkturindikatoren sprechen. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr 2016 noch 11 Prozent, konnte aber seit 2014 um rund 3 Prozentpunkte gesenkt werden (und seit 2013 um über 5 Punkte). Zu diesem Erfolg haben zahlreiche Reformen auf den Arbeits- und Produktmärkten beigetragen, von denen die aktuelle Regierung aber einige wenige wieder zurückgenommen hat.

Während sich die privaten Anlageinvestitionen zuletzt auch wegen Änderungen bei der EU-Förderung recht schwach entwickelten, wuchsen die realen Exporte in den Jahren 2015 und 2016 um jahresdurchschnittlich gut 5,3 Prozent und damit so stark wie in keinem anderen der hier betrachteten Länder. Bei recht schwacher Expansion des Welthandels in dieser Zeit hat Portugal damit auf seinen Märkten weiter Exportmarktanteile hinzugewonnen, wie schon in fast jedem Jahr seit 2008. Es zeigt sich, dass es dem Land eindrucksvoll gelungen ist, sich durch unternehmerische Restrukturierungen, verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit und die Erschließung neuer Absatzmärkte an die Herausforderungen einer höheren Konkurrenz aus den Schwellenländern anzupassen. Weil sich das Importwachstum zugleich in Grenzen hält, weist die portugiesische Wirtschaft seit 2014 einen leichten Leistungsbilanzüberschuss auf. Um die weiterhin hohe Auslandsverschuldungsquote abzubauen, wäre jedoch ein noch größerer Überschuss nötig. Auch die Privatsektorverschuldung liegt mit über 180 Prozent des BIP noch hoch, wenngleich sie seit 2012 um über 30 Prozentpunkte reduziert werden konnte.

Auch die hohe (und seit 2014 wenig veränderte) Staatsschuldenquote von 130 des BIP macht eine beharrliche Konsolidierung nötig. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die Linksregierung – trotz anders lautender Rhetorik – das laufende Defizit im Staatshaushalt im Jahr 2016 auf 2,3 Prozent des BIP (2,6 Prozent ohne Einmaleffekte) gesenkt hat. Weil das Fiskaldefizit in 2015 noch bei 4,4 Prozent des BIP lag und das strukturelle Defizit gestiegen war, hatte Portugal gegen den SWP verstoßen. Zwar verhängte die EU-Kommission auch in diesem Fall keine Sanktionen, doch dürfte die zwischenzeitliche Drohung, dass wegen des Regelverstoßes Zahlungen aus den EU-Strukturfonds gekürzt werden, mit zum Einlenken in Lissabon beigetragen haben.

Zusammenfassend bleiben hinsichtlich der Wirtschaftslage in Südeuropa zweifellos noch zahlreiche Probleme bestehen, gerade mit Blick auf die noch nachwirkenden Banken- und Verschuldungsprobleme sowie die Gefahr einer (weiteren) Reformumkehr. Doch zeigen sich ökonomisch gesehen durchaus positive Seiten. So sind die Leistungsbilanzen in Spanien und Portugal (wie auch in Italien) mehr als ausgeglichen. Bei wichtigen Indikatoren wie der Dynamik des BIP, privaten Investitionen und Exporten schneiden diese drei Länder teils deutlich besser oder zumindest nicht viel schlechter ab als Deutschland. Der Abbau der Privatverschuldung hat in Spanien und Portugal nach Übersteigerungen deutliche Fortschritte gemacht. Diese zumindest partiell guten Nachrichten drohen derzeit in den Sorgen vor einem um sich greifenden Populismus unterzugehen.

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